Alternative Therapie für chronischen Schmerzzuständen

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Hintergrund für diese alternative Therapieempfehlung ist eine Abneigung gegen einige der gängigen Prinzipien der Schmerztherapie, die ich meine hiermit vermeiden zu können. Allerdings verdient es Beachtung, daß weder diese, noch konventionelle Schmerztherapien es in einer Sitzung fertigbringen können, eine für den Patienten tolerable Analgesie zu vermitteln.

Die Verwendung von Periduralkathetern ist aufwendig für Patient und Therapeut, nebenwirkungsreich und kostenintensiv. Die Erfahrung mit zwei Patienten mit infizierten, implantierten Periduralkatheter-Systeme waren es, die mich zu einer neuen Methode gezwungen hatte: Der lumbale Sympathicus-Block [LSB]. Als dieser sich mit Begleitmitteln als effektiv darstellte, war es nur logisch den Periduralkatheter gänzlich abzulehnen.

Auf die Möglichkeit, daß der LSB derart effektiv sein konnte, brachte mir die Erfahrungen mit Clonidin in der Anästhesie und Schmerztherapie. Unter Duldung eines niedrigeren Blutdruckes ist dies auch eine alternative Methode, die hier nicht vergessen werden sollte, z.B. mit der zweimalige Gabe von einer 350 mg Retardtbl. Bei isolierten Schmerzen in einer Oberextremität kann auch eine Ganglion Stellatum-Block in Frage kommen, diese ist allerdings gefährlicher wegen der vielen nahe gelegenen Nerven am Hals. Plexus Coeliacusblock wäre ein Weg, viele intraabdominelle Schmerz-problematiken anzugehen, wird auch von einigen Schmerztherapeuten CT-gesteuert von anterior durchgeführt, allerdings unter Penetration des Dünndarmes, weshalb ich diese Technik zu Gunsten des LSB ablehne.

Der LSB ist altbekannt und wurde auch schon zur Schmerztherapie eingesetzt, u.A. mit Phenolblockade für die bessere Beindurchblutung. Ich glaube allerdings, daß wir mit der Kombination der eigentlich aus der Notfallmedizin introduzierte "Piratennarkose" Neuland geschaffen haben, denn hierdurch wurde es möglich, Alkoholblockaden ohne Verdünnung mit Lokalanästhetika und somit mit besserer Wirksamkeit durchzuführen.

Durchführung des lumbalen Sympathicus-Block

Eigentlich konnte man den LSB mit den in Lörrach vorhandenen Kanülen nicht durchführen. Empfohlen wird allgemein, daß man mit langen Kanülen einen leicht schrägen Verlauf anstrebt, wodurch die Spitze der Kanüle "hinter" Columna vertebralis gebracht werden kann. Hier reichen die Spinalkanülen bei den meisten Patienten gerade aus, vorausgesetzt es liegt keine Scoliose und keine excessive Adipositas vor, allerdings muß die Kanüle strikt in die Saggitalebene eingebracht werden und Columna lateral gerade streichen. Die Lage wird röntgenologisch gesichert: eine langgestreckte Sichel ist richtig, eine dicke Sichel falsch aber in der Nähe, und eine wolkenartige Verteilung (Fettgewebe) ganz falsch. Wenn man die Wirkung testen möchte, macht man nur eine Injektion von 20 ml Carbostesin 0,5%. Hier ist die korrekte Kanülelage nicht kritisch, es kann ohne Durchleuchtung durchgeführt werden und es wirkt eigentlich immer besser als die Alkoholblockade, aber leider nur 18-24 Stunden. Gerade diese bessere Wirkung gibt dann Anlaß zur Enttäuschung, so daß ich am liebsten darauf verzichten möchte, um somit einer Enttäuschung vorzubeugen, wenn eine Alkoholblockade sonst eine Besserung verspricht. Kennt der Patient nur die Schmerzen von vorher, ist es leichter eine Verbesserung nachzuweisen. Daraufhin erfolgt die Blockade primär mit Alkohol in "Piratennarkose". Falls dafür Nalbuphin nötig ist, sollte man es jetzt, vor weiteren Maßnahmen geben (siehe später).


Figur 1: Kontrastmittel im Bereich der Grenzstrang verteilt sich spindelförmig nach oben und unten, im Gegensatz zu der "wolkige" Verteilung in Fettgewebe)

Die Injektionsstelle definiert sich mit der Seite, wo die Schmerzen am schlimmsten sind und hier L2 & L4 oder L1 & L3. Mit eine 14'er Kanüle (blau) wird an jedem Ort eine Lokalanästhesie mit 10 ml Scandicain 1% gesetzt. Desweiteren erfolgt mit steriler Abdeckung. Kontrastmittel, z.B. Conray, wird in einer normalen 10 ml Spritze aufgezogen, anschließend in zwei Omnifixspritzen jeweils 3 ml Alkohol 95%. Zwei 22G Spinalnadeln (Schwarz) werden an einen hier schwer zu beschreibenden Ort eingeführt und die Lage röntgenologisch mit Kontrastmittel gesichert. Wenn die entsprechende Stelle gefunden wurde, kann der Patient einschlafen: Ein Helfer injiziert das Etomidat und 15 Sekunden später schläft der Patient ein. Erst dann wird Alkohol in eine der Nadeln injiziert und die Kanüle unter Aspiration gezogen (um einen Alkoholspur zu vermeiden). Gleichermaßen wird mit der anderen Kanüle verfahren, wonach man fertig ist und sich dem Patienten anästhesiologisch zuwenden kann.

Der Patient wacht auf wie er/sie eingeschlafen ist, also mit Schmerzen, kann aber 5-10 Minuten nach dem Aufwachen angeben, ob jetzt weniger Schmerzen vorhanden sind - was bei entsprechend enger Indikationsstellung fast immer der Fall ist. Die Wirkung des ersten LSB hält meistens für 3 Wochen bis 3 Monaten an, spätere Blockaden an gleicher Stelle eher länger. Es darf nur nicht erwartet werden, daß der LSB weitere Maßnahmen überflüssig macht! Sympathicoadrenerge Schmerzübertragung sind insbesonders bei Schmerzen am Periost (in der Anästhesie: Blutsperre) und bei chronischen Schmerzen vorhanden, aber selbst dort sind andere Analgetika notwendig (siehe Begleitmitteln).

Die Piratennarkose

Die Piratennarkose ist vom Anblick sehr einfach und von der Theorie doch etwas kompliziert. Ich habe sie so genannt weil sie gegen alle Richtlinien verstößt (soll Angst vermitteln) und auch bei hohem Seegang durchgeführt werden (eben sehr einfach). Sie wurde auch in der Notfallmedizin zur Reposition und schnellen Befreiung erfunden. Sie setzt eine Medikamentenwirkung voraus, die die folgenden Zielen haben soll: 1) Eine kurze Wirkdauer, fehlende Histaminfreisetzung, keine cardiovasculäre Depression (Etomidat). 2) Keine Myokloni von Etomidat bei dennoch erhaltener Atmung (nur mit Nalbuphin oder Pentazocin). 3) Keine Auslösung von Erbrechen und erhalt der oberen Atemwegsreflexe (indirekt = keine Prämedikation).

Erste Piratennarkose (siehe Best Intentions)

Nalbuphin kann allerdings den Patienten nicht zugemutet werden, die bereits hochdosiert mit Opioiden behandelt werden. Die Erfahrung zeigt zwar, daß dann der Punkt 2 nicht ganz erfüllt wird, aber es ist doch der antagonisierenden Wirkung von Nalbuphin vorzuziehen. Möglicherweise wirken Methadon und Bprenorphin weniger atemdepressiv in Verbindung mit Etomidat als Morphin. Das man die Anästhesie nicht nach belieben verlängern kann durch die wiederholte Nachinjektion von Etomidat sei nur nebenbei erwähnt.

Nein, kein Morphin mehr!

"Morphin wurde 1805 von Sertürner isoliert" und zählt damit zu den uralten Reinsubstanzen in der Medizin. In den Augen vieler Ärzte gilt es noch als unschlagbares Schmerzmittel. Der Grund warum ich diese Auffassung nicht teile ist, daß ich Morphin gerade in der Langzeitverwendung für das schlechteste aller zugelassenen Opioide halte (streng genommen ist Morphin selber auch ein Opiat = Opium-Derivat). Kein anders Opioid wie Morphin hat eine so direkt paralysierende Wirkung auf den Darm (zusätzlich zu der generellen Wirkung auf die glatte Muskulatur hat Morphin eine spezifische Blockade der Auerbach'schen Ganglien zu Folge), Gallengänge und Blase. Morphin ist wahrscheinlich der stärkste Histaminliberator unter den Opioiden, und die Nebenwirkungen sind beeindrückend: Übelkeit, Obstipation, Blasenentleerungs-störungen, Dysphorie und Hautjucken in der Schmerztherapie, wozu in der Intensivtherapie (obgleich nicht untersucht) andere Konsequenzen der Paralyse im glatten Muskulatur anschließen (Intensivgalle, eventuell auch Förderung von ARDS/MOF). Die Wirkdauer ist viel kürzer als vorher angenommen, wobei dies in der Schmerztherapie durch slow-release Tabellen etwas kompensiert werden kann, allerdings mit dreimaliger Gabe zu Folge. Der Patient zieht eine zwei-malige, orale Applikation vor, soweit dies möglich ist.

Das ist mit Methadon gut möglich. Da es selten nötig ist, mehr als 20 mg x 2 am Tag zu geben, wird es gut vertragen. Als Partialantagonist ist die Wirkung sicherlich schwächer als die von Morphin, aber wenn man es schon mit anderen Begleitmitteln und vor allem die LSB potensieren kann, sind die Patienten mit dem Wechsel in der Regel sehr zufrieden. Es versteht sich daher, daß ich nur bereit bin, den LSB anzubieten, wo es auch erlaubt wird von slow-release-Morphin wegzugehen.

Bedauerlicherweise werden viele Patienten mit den nicht-BTM-registrierten Mitteln Tilidin/Naloxon oder Tramadol bedient. Tramadol verursacht häufig Übelkeit, aber Valoron ist dann noch schlimmer, wenn es ohne Rücksicht auf bereits bestehende Opioid-Gabe verabreicht wird. Eine regelrechte Schmerztherapie erfordert Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, wohlbemerkt einen Kollegen, der auch bereit ist starke Analgetika zu verschreiben.

Sonstige Begleitmitteln

Antidepressiva: Es ist nicht verwunderlich, daß diese Medikamente bei der chronischen Schmerzustand erforderlich sein können. Tatsächlich können sie auch mit dieser Wirkweise eine Potensierung bewirken, aber angestrebt (und den Patienten immer erzählt) ist die Serotoninantagonisation dieser Substanzen interessant. Ich bin allerdings auf ein Mittel gekommen, die eine dritte, davon unabhängige analgetische Wirkung besitzt, das Trazolon, was gleichzeitig auch in 2-maliger Gabe verabreicht werden kann (25-50 mg x 2). Dieses Mittel wurde auch zur prä- und postanästhesiologischen Zwecken eingesetzt und ist, anders als die typischen (alten) Antidepressiva, völlig unbedenklich in Verbindung mit einer neuen Anästhesie.

Non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAID): Nachgewiesen ist, daß NSAID die Opioide ergänzt, wo man früher geglaubt hatte, sie würden dadurch überflüssig gemacht. Diese Medikamente wirken durch eine Hemmung der cyclooxygenase (COX), aber davon gibt es zwei Typen, eine konstitutionelle (COX-1) und eine erst bei Schmerzen induzierten (COX-2). Die klassische Antirheumatika, v. A. Acetylsalicylsäure (Aspirin) wirken durch die COX-1-Hemmung stark auf die Gerinnung ein und führen dabei relativ häufig zur Dyspepsie, im schlimmsten Fall zur Magenblutungen. Diese Probleme können mit neuem COX-2-Hemmer deutlich reduziert werden. Eine weitere Vorteil ist, daß man sie nur einmal am Tag verabreichen soll und bereits präoperativ (auch bei der Regionalanästhesie) geben kann.

Im Prinzip könnte diese Therapie auch mit peripheren Schmerzmitteln kombiniert werden, die nicht über COX-Rezeptoren wirken, z.B. Paracetamol 1 g x 3 oder Metamizol 1 g x 3 p.o. oder rektal. Die Erfahrung zeigt allerdings, das den Patienten nicht so viele verschiedene Mitteln einnehmen möchten und dies dann nur 1-2 malig.

Carbimazol stellt eine andere, völlig verschiedene Möglichkeit für die Kombination dar. Dieses Mittel hat sich besonders in der Therapie von Trigeminusneuralgien bewährt, was auf einen Zufall zurückführen kann. Ich empfehle, bei therapieresistenten Schmerzen, auch dieses Mittel in Erwägung zu ziehen. In jedem Fall soll versucht werden, mit Begleitmitteln der Dosis von Opioiden reduziert (aber nicht eliminiert) zu werden.

Weitere Alkoholblockaden:

Der Piratennarkose macht es möglich. Vor allem die Intercostalblockade bietet sich an. Bei Zweifel über die Indikation kann natürlich die Carbostesin-Blockade zuerst erfolgen, aber mit dem erwähnten "Enttäuschungs-Effekt" als möglicher Folge. Die sakrale Blockade bei prozessen im Steißbein habe ich aus Angst vor Nebenwirkungen erst einmal 1998 durchgeführt, allerdings mit einem hervorragendem Erfolg. Die suprascapuläre Blockade hat gewisse motorische Folgen, wurden aber auch von Patienten wiederholt gefordert.

Eine Alternative zu den Alkoholblockaden ist die Kryoneurolyse ohne Anästhesie, die mangels entsprechender Gerät hier nicht durchgeführt werden kann.

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